Trotz dem Stefan Schmid so ein „bunter Hund“ ist und er (wenn man mit Ihm unterwegs ist, gefühlt) Gott und die Welt kennt, dachten wir uns, wir sollten ihn doch noch den wenigen Leuten vorstellen, die noch nicht von ihm gehört haben. Lena und Stefan haben sich auf ein Bier getroffen und das hier ist dabei rausgekommen:
Lena: Lieber Stefan, in deinen Arbeiten als Kameramann, Regisseur und Produzent geht es ganz oft um die Leute vor der Kamera und um Ihre Geschichten, jetzt will ich einmal mehr über dich und deine Geschichten erfahren. Also, Stefan, wo kommst du her und was hat dich zum Film gebracht?
Stefan: Eigentlich komme ich aus Oberösterreich, wo mein Leben als Starkstrommonteur und danach als Behindertenbetreuer anfangs recht wenig mit der Filmwelt zu tun hatte. Mit 21 Jahren fing ich mit dem Jobben in einem Tonstudio in Linz an, was mich darauf brachte Elektrotechnik in Graz zu studieren. Hierher bin ich dann gekommen, um zu bleiben …
Lena: Wie bist du dann zum Filme machen gekommen?
Stefan: Ende der 90 Jahre habe ich damit begonnen mit meiner Super 8-Kamera alles Mögliche zu filmen, was 2003 zu einem kleinen Super-8-Filmfestival, welches ich selbst veranstaltete, führte. Während ich 2000 einige Zeit in Barcelona lebte, begann ich die Visuals für Live-Auftritte von großen Bands zu produzieren. Das mündete letztendlich in einen Auftrag von Hannes Rossacher von DoRo Production und einem Dreh für ARTE und MTV über die beiden Musikfestivals Hurricane und Summer Jam. Das war dann auch der Zeitpunkt wo ich meine erste professionelle Filmkamera gekauft habe.
Lena: Wow! Das klingt nach einer sehr aufregenden, sehr geilen Zeit! Welche Filme drehst du eigentlich am liebsten?
Stefan: Ich liebe es hinter der Kamera zu stehen und hier die scheinbare Wirklichkeit
einzufangen. Das ist besonders beim Dokumentarfilm eine Herausforderung, weil man hier sehr schnell reagieren muss. Es gilt die zentralen Elemente, die die Orte und die Charaktere ausmachen bestmöglich aufzunehmen, damit die vorherrschende Stimmung, im Laufe der gesamten Produktion mitschwingen kann. Beim Werbefilm finde ich es großartig, wenn ich handwerklich gefordert bin und auch mutigere visuelle Konzepte planen und umsetzen kann.
Derzeit bin ich bei einigen Kurzfilmen involviert und der Traum vom Langspielfilm nimmt langsam Gestalt an. Was mir aber bei allen Filmen am wichtigsten ist, ist das professionelle Team: Spielt das Team gut zusammen, macht das Filmen nicht nur richtig Spaß, sondern die Resultate werden auch richtig gut.
Lena: Was ist das größte Hindernis beim Filme machen?
Stefan: Der Gestaltungsfreiraum im kommerziellen und die Finanzierung im kreativen Bereich.
Lena: Auf was bist du besonders stolz?
Stefan: Das wir in den AVbaby Mediastudios nun alle Bereiche für die Produktion von hochwertigen Filmen optimal durch Profis abdecken können. Wir sind auch bereit richtig große Produktionen zu realisieren. Eines unserer Projekte wird gerade fertig; die Dokumentation zu 150 Jahre Alpenverein Graz wird im November im ORF laufen.
Lena: Was ist dein nächstes Projekt? was hast du vor? Wer macht mit?
Stefan: Im Winter werde ich als Kameramann Andrea Eidenhammer (Regie) und Gerd Jochum (Ton) für die Aufnahme eines Dokumentarfilms nach Tansania begleiten.
Showreel:
Lena: Was ist dir bei der Zusammenarbeit am Set am wichtigsten?
Stefan: Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber die Vorbereitung ist beim Filmen enorm wichtig. Besonders bei größeren Produktionen wird im Vorfeld schon vieles ausdefiniert und dafür muss dann auch alles vorbereitet sein, da es sonst zu kleineren und größeren Verzögerungen kommt.
Am Set ist Respekt und unmissverständliche Kommunikation sehr wichtig.
Lena: Was machst du eher ungern?
Kameraübertragungen und Videos von Veranstaltungen.
Lena: Erzähle mir von deinen Schlimmsten Erfahrungen bzw. Momenten beim Drehen …
Beim Dreh zu Toys on Tour (Toys steht hier für „Trash of your Society“) sind wir 12.000 km durch Afrika gereist und haben dabei Mülldeponien und Slums fotografiert, gefilmt und Müll für unsere Aktionäre gesammelt. Unsere Reise haben wir unter anderem durch den Verkauf von Trash-Stocks finanzierten. Der Plan war, dass wir den gesammelten Müll durch eine Mülldividende aus Afrika an private Förderer und Geldgeber „ausbezahlen“ – daher Trash-Stocks.
Bei den Drehs in Benin, kam es gleich zu zwei eher unangenehmeren Situationen, wobei Voodoo eine besondere Rolle zufällt:
An einem der Drehorte im Norden von Benin wurde ich von den Leuten mit Steinen beworfen. Mir war zwar bewusst, dass es nicht für alle Leute angenehm oder in Ordnung ist, dass sie gefilmt werden, aber mit Steinen wurde ich noch nie beworfen. Auch hier folgte ich meiner in solchen Fällen meist erfolgreichen Strategie, freundlich-naiv auf die Leute zuzugehen, um herauszufinden warum sie das taten. Es stellte sich heraus, dass sie aufgebracht waren, weil ich mit dem Bildmaterial zu einem Voodoo-Zauberer gehen und er einen bösen Zauber über sie bringen könnte. Sie haben sich selbst nach meiner Erklärung nicht beruhigen lassen und ich filmte dann auch niemanden dort.
Angekommen in der Stadt Cotonou besuchte ich einen Voodoo-Fetisch-Markt und da wurde mir bewusst, dass die Kamera auch ganz schnell zu einer unmittelbaren Gefahr für mich selbst werden kann: Ich schlenderte also durch diesen illegalen Markt, wo Tierteile von der Hasenpfote bis zu Nashornköpfen verkauft wurden. Als ich ansetzte, um die Kamera in die Hand zu nehmen, wurde ich so eindringlich und böse von den Menschen dort angesehen, dass ich sie sofort wieder wegpackte. Die Blicke waren derartig eindringlich, dass mir sofort klar wurde, dass, wenn ich den Ort lebend und nicht in Stücken zerteilt, verlassen wollte, lieber schaue, dass ich das Weite suche.
Welcher war dein bester Dreh, und warum?
Ich hatte einmal die Chance für zwei Tage bei einer englischen Spielfilmproduktion die B-Kamera führen zu können. Für eine Action-Szene wurde spontan eine zweite Kamera gebraucht und die Auswahl fiel dabei auf mich. Es war großartig einmal bei einer so großen Produktion mitzuwirken, den Profis bei dieser Shakespeare-Verfilmung über die Schulter zu schauen und mich abends mit Ihnen über so einige Produktionsanekdoten auszutauschen.
Lena: Was ist dein persönlicher Lieblingsfilm?
Stefan:
Lieblingskomödie: Sein oder Nichtsein (Ernst Lubitsch 1942) -> Eine Nazi-Parodie mit vielen Doppeldeutigkeiten, für die der Filmemacher so bekannt ist.
Lieblingsdrama 2020: Adú (Salvador Calvo, 2020 Netflix) -> Der Film hat mich sehr berührt. Die dargestellten Episoden schildern die unterschiedlichen Blickwinkel der Rollen auf eine beeindruckend gefühlvolle Art und Weise und vor allem die schauspielerische Leistung des Jungschauspielers Moustapha Oumarou war großartig.
Lena: Wer ist eigentlich dein Lieblingsfilmemacher?
Oh da gibt es einige da einen Namen nennen ist schwierig, aber es ist definitiv jemand aus dem Autorenfilm. Vielleicht sollte ich Wim Wenders nennen: Er hat einen großartigen Werdegang. Wim Wenders, Achternbusch und andere konnten sich für kurze Zeit im deutschen Fernsehen kreativ austoben und danach haben sie Filmgeschichte geschrieben.
Es wäre schön, wenn sich das Fernsehen wieder mehr als Plattform für Filmkunstschaffende öffnen würde.
Lena: Was hältst du von „Video on Demand“ – also Amazon Prime, Netflix, etc.?
Video on Demand Provider bringen viele großartige Möglichkeiten mit sich, beispielsweise Filme frei von der Selektion von Förderstellen und TV-Redakteuren zu produzieren. Ich sehe dabei auch die Möglichkeit der Emanzipation und aus der Gleichförmigkeit gewisser Geschmäcker auszubrechen. Beispielsweise kann wieder mehr regionaler Content produziert werden.
Allerdings besteht auch hier die Gefahr, dass wiederum Wege eingeschlagen werden, die die Gleichförmigkeit verstärken. Ich denke dabei an den Einsatz von künstlicher Intelligenz, welche den Geschmack der Mehrheit eruiert. Als Konsument landet man da schnell in einer sehr gleichförmigen Wolke von Film-, Serien- und Dokumentations-Vorschlägen. Hier wird also nicht die Produktion an sich gehindert, sondern die Konsummöglichkeiten vordefiniert und dadurch eingeschränkt.
Netflix hat den Film-Verleihmarkt (Hardcopy) überholt und den Streaming Markt etabliert, ich denke, das liegt daran, dass sie bereits in Prä-KI-Zeiten versucht haben, Programmierer zu finden die Kundengewohnheiten und Vorlieben in ein Programm zu übersetzen.
Lena: Was wünscht du dir für deine Zukunft beim Film?
Ich hoffe in absehbarer Zeit nach LA fliegen zu können, um dort einen Kurs mit Schwerpunkt Kameraführung im Spielfilm absolvieren zu dürfen.
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